Musik aus einer anderen Welt
MUSIK AUS EINER ANDEREN WELT
Für die aktuelle Oberösterreich-Ausgabe des Reisemagazins MERIAN hat sich Chefdirigent Markus Poschner mit Kalle Harberg getroffen.
Salzburg hat Mozart, Linz hat Bruckner! Markus Poschner ist dort Chefdirigent des Bruckner Orchesters und hält das Erbe des berühmten Komponisten am Leben. Gerade spielt er als Erster alle Fassungen seiner Sinfonien ein – aber trotzdem gibt ihm Bruckner als Mensch und Musiker bis heute Rätsel auf. Ein Interview.
TEXT Kalle Harberg
MERIAN: Herr Poschner, Hand auf’s Herz: Können Sie erklären, wie ein Hilfslehrer aus einem kleinen oberösterreichischen Ort, der bis zu seinem 40. Lebensjahr keine einzige Sinfonie veröffentlichte, letztlich Werke schrieb, die zu den größten der Musikgeschichte gehören?
MARKUS POSCHNER: Es ist tatsächlich schwer zu erklären, aber irgendwie auch phänomenal. Dieser Hilfslehrer, ein Dorf-Kirchenmusiker, schreibt Weltmusik, die bis heute von der ganzen Welt bewundert wird. Ohne es je in die Wiege gelegt bekommen zu haben, ohne besonders nennenswerte Unterstützung - er hatte später dann zwar wichtige Lehrer, aber bis zu einem gewissen Grad war Bruckner Autodidakt. Alleine seine Orgelprüfung als junger Mann in Wien war so spektakulär, dass der in der Jury sitzende Wiener Hofkapellmeister sagte: „Er hätte uns prüfen sollen.“ Ich finde es unglaublich inspirierend, was für eine starke musikalische Vision dieser Mensch entwickelte, querstehend zu damaligen Zeitgeschmack und, dass er sich gegen alle Widerstände nie von seinem Weg hat abbringen lassen. Das ist tatsächlich ein Wunder.
Aber ein wenig sollten wir schon versuchen, dieses Wunder zu entschlüsseln. Warum sind Anton Bruckners Werke bis heute so relevant?
Bruckners Musik ist einfach anders, ist mit nichts zu vergleichen. Das ist eigentlich paradox, weil gerade er sehr stark verwurzelt war in der Tradition, aber letztlich eben zu ganz eigenen Lösungen kam. Bei Beethoven war alles Drama, Kampf und Revolution. Seine Sinfonien haben eine immense Kraft, streben aus der Dunkelheit hin zum Licht des aufgeklärten Menschen. Bruckner, könnte man sagen, ist dagegen eher postdramatisch. Ihn interessiert besonders eine Form von Ritus in der Musik, die er immer wieder ähnlich einer Schablone inszeniert, besonders ausgeprägt dann bei seinen späteren Symphonie. Seine Musik zieht ihre Kraft aus der Expansion, sie verströmt, ist wie eine Tür zu einer geheimnisvollen Welt voller Schönheit, Mystik und Erhabenheit, hat aber auch starke irdische Tanzelemente. Bruckner nimmt uns mit auf eine innere Reise, seine Musik ist für Viele eine Art Gipfelerlebnis: sie vermittelt einen unglaublichen Weitblick.
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Fotos: Reinhard Winkler